Die neue grosse Freiheit – ELAN GT5

Die neue  grosse  Freiheit – ELAN GT5
02 Jan
10:32

Neue Konzepte, neue Raumverteilung schon beindruckend, was man heute auf 10 Metern Schiffslänge alles unterbringt. Trotzdem braucht es fürs Handling nur wenige Hände an Bord. Viel Boot für wenig Crew: die Elan GT5 liesse sich von einem Paar gut segeln.

 

Das Schöne an der neuen Yachtgeneration ist doch, dass diese Boote sehr für das Leben an Bord entworfen wurden. In unserem modernen Dasein mit zunehmend flexibler Arbeitsgestaltung und mobilem Internetzugang wird ja aus einem Home-Office gerne auch schon mal ein On-Board Office, was die Möglichkeiten, mehr und mehr Zeit an Bord zu verbringen, durchaus noch einmal erhöht. Dabei bleibt das Segeln an sich zwar wichtig, ist aber nicht mehr nur der einzige Zweck, denn im Hafen wird das Boot zur Zweit- oder Ferienwohnung. Da unterscheiden sich heutige Boote ganz fundamental von den Segelyachten früherer Generationen, die, dann meist eher spartanisch und sportlich, pure Segelgeräte waren. Moderne Bauweisen und die clevere Technik schwimmender und segelnder Haushalte haben dazu geführt, dass man, wie wir am Beispiel der Elan GT5 noch sehen werden, mittlerweile beides ganz vorzüglich mit einem Schiff erreichen kann: Segeln und Wohnen. Und beides auf hohem Niveau.

Ein Feature von damals ist zurück: Die Bordküche wurde nach vorne verlegt. Dorthin, in den Bereich um den Mast und auf jeden Fall vor den Salon, wo sie üblicherweise auf den Gentleman-Yachten mit bezahlter Besatzung des 19. Jahrhunderts gewesen waren. Wer damals gerne längere Zeit an Bord leben wollte, musste sich schon auf ein grösseres Schiff mit bezahlter Besatzung begeben, um einigermassen Komfort zu geniessen. Auch berühmte Autoren wie Guy de Maupassant oder Jack London, deren Liebe zur See sie ja immer wieder auf die Decksplanken und raus aufs Meer zog, waren auf bezahlte “Hände” an Bord angewiesen, um ihre unhandlichen Schiffe segeln zu können. Das ist nun, wie gesagt, vorbei. Vielleicht wäre Jack London froh gewesen, hätte er mit seiner Frau Charmian eine der neuen Yachten alleine segeln können, statt der unglücklichen „Snark“!

Elan GT5

Die GT5 steht für eine clevere Neuentwicklung auf Basis eines bestehenden und bewährten Rumpfes – Designer Rob Humphreys nahm sich seine bewährte Elan S5 vor und machte aus dem sportlichen Modell eben diese komfortable, aber auch schnelle und lebendige Fahrtenyacht mit Liveaboard-Qualitäten. Erstaunlich, was da auf 13 Meter Länge alles möglich ist.

Mit etwas weniger als 90 gebauten Booten im letzten Jahr ist Elan vielleicht eine der am meisten unterschätzten Werften in Europa. Slowenien selbst, von der Geschichte gebeutelt und dennoch in einem sehr alten und wichtigen Kulturgebiet gelegen, ist womöglich ebenso unterschätzt. Die Seefahrt ist hier schon seit Jahrhunderten wichtig, auch immer in Verbindung mit Italien und Venedig, und auch das Segeln hat hier eine Tradition und ist sehr lebendig wie Matic, Marketingleiter der Elan Marine Division, sagt: „Bestes Beispiel dafür ist die Barcolana, jedes Jahr segeln hier an die 2000 Boote, es ist die wohl grösste Regatta der Welt und doch sind andere Rennen bekannter.“

Die Werft Elan hat ihre Ursprünge in einem Handwerker-Kombinat in Titos frisch gegründetem Jugoslawien, gleich nach dem Krieg, 1945. Später wurde der Betrieb, der zunächst hölzerne Skier und, ab 1949, auch Boote baute, zu einem Staatsunternehmen, dann, 2015, an einen internationalen Finanzfonds verkauft. Neben den Yachtaktivitäten hat Elan heute drei weitere grosse Geschäfts-bereiche: Ski, Sporthallen und Wind-energie. Die Yachten gegen dabei nicht unter, im Gegenteil. Gerade wurde ein neuer Manager für den Marine-Bereich aus dem Semi-Ruhestand aus Amerika geholt, John Peterson. Es geht voran.

Nun also die GT5. Es ist nicht das erste Mal, dass Elan Neues wagt: 2009 brachte die Werft erstmals Doppelruder und einen Knickspant in Heckbereich, beides bis dahin nur von Volvo Ocean Rennern oder Open 60 Racern bekannt, in die Serienproduktion. Jetzt ist es eine aufregend neue Cruising-Yacht, die gar nicht so zahm aussieht. Denn: Doppelruder, Knickspant, all das ist noch da. Der Knickspant ist hier übrigens nicht nur ein gut aussehendes Marketing-Gimmick, sondern erfüllt seinen Zweck und gibt dem sehr breiten Heck Formstabilität bei Krängung bei gleichzeitig reduzierter benetzter Fläche. Gegenüber der S5 wurde der Rumpf im Freibord erhöht und um einen knappen halben Meter verlängert, da die GT5, als vollwertiges Liveaboard-Schiff mit allem entsprechenden Komfort, dann doch fast eine Tonne mehr verdrängt. Das Laminat, ausgeführt in bewährter und aufwändiger Vakuum-Infusionstechnologie, hat in Rumpf und Deck jeweils einen Schaumkern, was für gute Isolierung gegen Hitze und Kälte sorgt. Solide ausgeführt ist auch die Rumpf-Deck Verbindung mit einer
integrierten Schanz, was Stabilität und Sicherheit an Deck gibt.

Entsprechend kompakt und kräftig ist das Styling der Yacht insgesamt, mit einem sehr markanten Profil, aber auch sportlichen Elementen wie der unter Deck versenkten Vorsegel-Rollanlage oder dem kurzen Bugspriet als festen, integrierten Gennakerbaum. Auffällig neben dem optisch dominanten Aufbau mit den dunklen Fenstern ist das grosse Cockpit, das fast schon an einen Katamaran erinnert. Zwei Steuerstände, zwei Tische, also auch ein freier Durchgang vom Heck bis zum Niedergang. Diese beiden Tische kann man zu einer riesigen Tafel vereinen, oder jeweils einzeln nutzen, oder auch, zwischen Cockpitsüll und Tisch, in zwei sehr coole Sonnenliegen verwandeln. Und wenn man nichts von alledem macht, sind die Tische unterwegs enorm praktisch: Sie bieten stabilen Halt im Cockpit und sturmfeste Abstellmöglichkeiten für die Drinks.

Dieses Cockpit ist bezeichnend für das ganze Schiff. Voller guter Ideen und Detaillösungen, auch rund um die beiden Steuerstände mit den massgeblichen Winschen in Griffweite, mit variablem Stauraum achtern: so funktioniert es perfekt – beim Segeln auf See ebenso, wie beim gemütlichen Chillen & Loungen im Hafen oder vor Anker. Vor allem dann, beim Ankern, wird der ausgeklappte Spiegel zur schönen Badeplattform direkt auf dem Wasser.

So geht es dann auch unter Deck weiter. Das auffälligste Feature habe ich bereits erwähnt, die Küche, die sich im Bereich des Mastes über die ganze Schiffsbreite erstreckt. Das gibt Raum für einen grösseren Salon weiter achtern und, je nach gewählter Version, einer oder zwei guter Doppelkabinen achtern, die Eignersuite befindet sich in jedem Fall im Vorschiff. Auch im Salon stecken wieder gute Ideen, so die beiden Polsterstühle zum Tisch, die, beim Segeln, an den Tischbeinen festgeklemmt werden. Oder der versenkbare Flachbildschirm fürs TV oder die ausklappbare Navigationsecke am vorderen Ende des Steuerbord-Sofas. Der ist zwar zu klein für eine herkömmliche Papierseekarte, doch ein Kartenatlas von NV-Charts würde passen. Navigiert wird heute ja meist am Plotter, die Törnplanung auf dem grossformatigen „Übersegler“ aus Papier würde sowieso eher am Salontisch oder im Cockpit gemacht. Der Salontisch an Backbord, inklusive des gemütlichen Sofas dort, lässt sich bei Bedarf auch in eine weitere Doppelkoje oder einfach eine geräumige Kuschelwiese zum Fernsehen verwandeln.

Schön, dass man auf dem Weg vom Salon auf die Terrasse – pardon: Cockpit, nicht immer durch die Küche muss. Überhaupt bin ich fast versucht zu sagen, dies sei ein „Open“-Konzept: Viel Leben wird hier im einladenden Cockpit stattfinden. Wobei es hier an Bord auch „unter Deck“ sehr hell und freundlich ist, mit guter Sicht nach draussen. Zur Ausstattung: Alle Fenster haben Jalousien, die Luken Fliegengitter. Innen sieht man nirgends blanke GFK-Flächen, auch nicht in den Schränken – das ist gut gegen Feuchtigkeit und potenziellen Schimmel und eine weitere echte Liveaboard-Qualität.
Dann die Küche: wunderbar! Von der Fläche her mal eben verdoppelt gegenüber dem herkömmlichen Platz am Niedergang, mit entsprechend viel Arbeitsfläche, Stauraum und Geräten – und tatsächlich Platz genug für zwei Personen gleichzeitig, sollte jemand dem Koch assistieren wollen, Weinflaschen öffnen oder, Wunder über Wunder, einfach nur beim Abwasch helfen!

Das ergibt die volle Punktzahl fürs Wohnen an Bord. Aber wie segelt das Schiff? Kurz gesagt: Für eine Liveaboard-Fahrtenyacht, und nicht nur dafür, sehr
ordentlich. Wir erreichten bei 14 bis 15 Knoten Wind am Wind und bei glattem Wasser gute sechs Knoten, halben Winds dann 7,5 Knoten. Steuern kann man problemlos, das Schiff läuft auch bei viel zu starker Krängung nicht aus dem Ruder, oder genauer: den Rudern, denn das ist die positive Folge der Doppelruder und der glatten Linienführung im Achterschiff. Alle Schoten und Fallen gehen zu den Winschen auf dem Süll vor den Steuerständen, als Rudergänger kann man alle gut erreichen. Als Standard wird eine Selbstwendefock geliefert, wer etwas weniger bequem ist und mehr Feuer mag, kann eine Genua dazu ordern und natürlich alle Arten von Downwind-Segeln. Die Grossschot, German Style, kommt auf beiden Seiten an. Auch der Überblick ist beim Steuern perfekt, die Windfäden im Vorsegel und alles andere sind immer bestens im Blick.

Fazit? Tolles Boot. Mit den Linien und Anhängen (Kiel, Ruder) vom britischen Yachtdesigner Rob Humphreys, mit dem Elan ja schon lange, seit 1995, gut zusammenarbeitet. Das spezielle Konzept und viele Details der GT5 aber stammen von Igor Zupan, dem „Technical Director“ bei Elan Yachts. Die Nachfrage nach der GT5 ist jedenfalls sehr lebendig. Um, wie geplant, zwei Einheiten davon gleichzeitig zu bauen, müssten sie bei Elan jedoch noch ein neues Tor in die Werfthalle hauen – ich vermute mal, dass der Bautrupp dazu längst angerückt ist!

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